Mit High-Tech gegen Corona: das europäische Projekt PEPP-PT

In Europa haben sich 130 Wissenschaftler und Techniker von Institutionen und Unternehmen aus acht Ländern zusammengeschlossen, um eine Technologie zu entwickeln, die die Ausbreitung der Coronavirus-Epidemie eindämmen soll. Das Projekt heißt PEPP-PT (Pan-European Privacy Preserving Proximity Tracing). Dabei handelt es sich um eine Plattform, die die Daten aus verschiedenen Apps bündeln und anonymisiert an Gesundheitsämter und Warnungen an den User übermitteln soll.

Wozu dient PEPP-PT?

Der sperrige Name Pan-European Privacy Preserving Proximity Tracing bedeutet auf Deutsch so viel wie Pan-Europäische Privatsphäre-schützende Annäherungs-Überwachung. Die Idee dahinter ist, die Ausbreitung der Pandemie zu vermeiden, indem vor der Annährung an Infizierte gewarnt wird. Es geht also nicht nur um die Auswertung von Gesundheitsdaten, um allgemein geographisch besonders gefährdete Gebiete zu identifizieren und die Entwicklung der Pandemie voraussagen zu können, wie bei der App Corona Datenspende des deutschen RKI, sondern es geht konkret darum, die Menschen einzeln im Kontakt mit anderen zu schützen.

Das sogenannte Contact-Tracing-System misst per Bluetooth den Abstand zwischen zwei Nutzern bzw. deren Geräten sowie die Zeit, die beide in geringem Abstand miteinander verbringen, und damit die Möglichkeit einer Übertragung des Virus. Voraussetzung dabei ist, dass Nutzer mit positiven Testergebnissen diese auch über eine entsprechende App an die Plattform melden. Andere Nutzer können so schon im Vorfeld sehen, ob sie sich angesteckt haben könnten, und sich frühzeitig isolieren statt damit zu warten, bis sie Symptome entwickeln. In der Zeit, wo der Träger bereit mit dem Virus infiziert ist, aber noch keine Symptome bemerkt, kann er nämlich sonst seinerseits viele Menschen anstecken. Tatsächlich gehen Epidemiologen davon aus, dass die mindestens die Hälfte aller COVID-19-Erkrankten von Menschen infiziert wurden, die gar keine Symptome hatten.

Das System ist letztlich auch dazu gedacht, das wirtschaftliche Leben langsam wiederaufnehmen</bold> zu können, ohne dabei die Gesundheit der Bevölkerung zu riskieren.

Wie ist Contact-Tracing mit Datenschutz vereinbar?

Zum Thema Datenschutz erklären die Enwickler, dass erstens keine Positionsdaten der verwendeten Geräte und von deren Nutzern gesammelt werden, sondern die Bluetooth-Funktion nur zum Messen von Abständen verwendet wird. Außerdem wird das Bewegungsmuster nach einigen Tagen automatisch gelöscht. Zweitens werden keinen persönlichen Daten der Nutzer erfasst, sondern nur Ihre Geräte. Diese erhalten eine unpersönliche Nummer.

Allerdings beruht die Anwendung ja darauf, dass ein infizierter Nutzer seine Infektion freiwillig meldet und ein anderer gewarnt wird, wenn er ihm zu nahe kommt. Der infizierte Mensch ist demnach also von dem anderen, der sich ihm nähert, möglicherweise identifizierbar. Man kann sich leicht ausmalen, dass das in einer Art Hexenjagd auf Infizierte enden könnte. Wie soll konkret die Privatsphäre des als infiziert Gemeldeten geschützt werden?

Der Schlüssel liegt darin, dass die Warnung erst im Nachhinein passieren soll, also wenn die Begegnung schon vorbei ist. Immer dann, wenn ein User seine Infektion meldet und über ein von öffentlichen Behörden zertifiziertes Verfahren bestätigt, soll der Bewegungsverlauf hervorgeholt werden und alle Geräte, die sich in einer für eine Ansteckung relevanten Nähe befunden haben, sollen gewarnt werden. Nicht nur die zeitliche Identifizierung soll damit unmöglich sein, sondern auch die geographische, denn der Ort der Begegnung wurde gar nicht erst aufgezeichnet.

Allerdings ist auch im Nachhinein vielleicht nachvollziehbar, um welchen Kontakt es sich gehandelt hat, da die Menschen ja derzeit alle ihre Kontakte erheblich eingeschränkt haben. So gibt Prof. Dr. Joachim Charzinski von der Hochschule der Medien in Stuttgart zu bedenken: "Dadurch ist das Risiko einer Deanonymisierung durch Korrelation immer gegeben."

Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit anderen Ländern?

Bisher sind die Schweiz, Österreich, Belgien, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Italien und Spanien in der Pepp-PT-Initiative vertreten. Die Behörden der einzelnen europäischen Länder, die diese Form der COVID-19-Eindämmung nutzen möchten, können jeweils ihre eigenen Apps mit ihrem eigenen Sicherheitsstandard entwickeln, die dann jeweils die Contact-Tracing-Technologie von PEPP-PT nutzen und in die Plattform eingebunden werden. Außerdem ist auch jedes Land selbst dafür zuständig, seine Bevölkerung davon zu überzeugen, die jeweilige App zu installieren und Daten freiwillig zu übermitteln.

Nach einer Studie der britischen Universität Oxford müssten mehr als 60 Prozent der Bevölkerung die Technologie nutzen, um eine Pandemie auf diese Art erfolgreich einzudämmen.

Damit die Daten, die an die Plattform übermittelt werden, nicht missbraucht werden, wollen die Entwickler einen Verein mit Sitz in der Schweiz gründen, der sich auf lange Sicht aus Spenden finanzieren soll. Der Quellcode der Technologie soll bald als Open Source öffentlich verfügbar sein. Die Plattform selbst soll ab Mitte April operabel sein.

Foto: © Pixabay.

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